Alternatives Beschaffungskonzept

Mit der „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ vom 17.08.2023 sind bekanntlich die bisherigen deutschen Sonderregelungen zur Auftragswertermittlung bei Planungsleistungen entfallen (siehe TSP-News vom 25.10.2023). Bis zur Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV war es allgemein als zulässig angesehen worden, die Schwellenwerte für Lose ungleichartiger Planungsleistungen getrennt zu ermitteln. Dies hatte zur Folge, dass zahlreiche Planungsaufträge unterhalb des europaweiten Schwellenwertes nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsrechts – meist freihändig nach § 50 UVgO – vergeben werden konnten. Die Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV hat zur Folge, dass auch bei der Vergabe von Planungsleistungen der geschätzte Gesamtwert durch Addition aller Fachlose zu ermitteln ist. Dies bedeutet häufig, dass bereits bei Bauvorhaben mit Gesamtkosten von ca. 860.000 € Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden müssen.

Im Zuge der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV hat die Bundesregierung daher selbst ein alternatives Beschaffungskonzept ins Spiel gebracht. Es besteht in einer gemeinsamen – nicht notwendigerweise gleichzeitigen – Vergabe von Planungs- und Bauleistungen mit einer Fachlosbildung jedenfalls hinsichtlich der einzelnen Planungsleistungen. Für eine solche gemeinsame Vergabe würde der Schwellenwert für die Vergabe von Bauleistungen in Höhe von netto 5.538.000 Euro und nicht der Schwellenwert für die Vergabe von Planungsleistungen in Höhe von netto 221.000 Euro gelten. Sollte der Gesamtwert unter netto 5.538.000 Euro bleiben, könnten alle Planungs- und Bauleistungen national ausgeschrieben werden. Oberhalb des Schwellenwertes könnte die sog. 80/20-Regelung nach § 3 Abs. 9 VgV zur Anwendung kommen. Fachlose für Planungsleistungen könnten bis zu einem Loswert von jeweils 1 Mio. € national ausgeschrieben werden, sofern die Summe dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht überschreitet.

Dass dieses alternative Beschaffungskonzept vergaberechtskonform ist, haben die Bundesingenieurkammer, die Bundesarchitektenkammer, die AHO und der VBI gemeinsam durch ein Rechtsgutachten der Ludwig-Maximilians-Universität in München klären lassen. Das Gutachten ist hier abrufbar. Allerdings gibt es noch keine Rechtsprechung zu diesem Thema. Es besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung in diesem alternativen Beschaffungskonzept einen Verstoß gegen die Umgehungsverbote nach § 111 Abs. 5 GWB bzw. § 3 Abs. 2 VgV sieht. Vorsicht ist auch geboten, wenn Fördermittel in Anspruch genommen werden. Hier ist sorgfältig zu prüfen, ob die Zuwendungsbestimmungen dieses alternative Beschaffungskonzept zulassen.