Fortgeltung der HOAI-Mindestsätze: BGH fragt den EuGH zu den Folgen der Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute in der mit Spannung erwarteten mündlichen Verhandlung das Revisionsverfahren zur Fortgeltung der HOAI-Mindestsätze ausgesetzt. Er hat ferner dem EuGH mehrere Fragen zu den Folgen der im EuGH-Urteil vom 04.07.2019 (C-377/17) angenommenen Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze für laufende Gerichtsverfahren vorgelegt.

Der BGH selbst ist der Auffassung, eine sog. richtlinienkonforme Auslegung führe nicht zur Unverbindlichkeit der HOAI-Mindestsätze. Eine solche Auslegung contra legem sei unzulässig. Der Gesetz- und Verordnungsgeber habe mit den Regelungen in § 7 HOAI und der dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Ermächtigungsgrundlage eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine unterhalb der verbindlichen Mindestsätze liegende Honorarvereinbarung grundsätzlich unwirksam sei und sich die Höhe des Honorars in diesem Fall nach den HOAI-Mindestsätzen bestimme.

Der BGH neigt zudem zu der Ansicht, dass die maßgebliche EU-Dienstleistungsrichtlinie in laufenden Gerichtsverfahren auch nicht unmittelbar greift. Angesichts zahlreicher gegenläufiger obergerichtlicher Entscheidungen sowie Meinungsäußerungen im Schrifttum hat der BGH gleichwohl diese Frage dem EuGH vorgelegt.

Ferner möchte der BGH vom EuGH wissen, ob die HOAI-Mindestsätze gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoßen und wie sich ein solcher etwaiger Verstoß auf ein laufendes Gerichtsverfahren auswirkt. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit kann nach Einschätzung des BGH nicht ausgeschlossen werden. Der EuGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 04.07.2019 (C-377/17) ausdrücklich offengelassen.

Die Rechtsunsicherheit, ob das Preisrecht der HOAI bis zu einer Novellierung der HOAI weiterhin uneingeschränkt anzuwenden ist oder nicht, bleibt somit bestehen.

Den BGH-Beschluss vom 14.05.2020 finden Sie hier.