Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH: Keine HOAI-Mindestsätze bei Alt-Verträgen zwischen Privaten

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 03.05.2021 über die Folgen der von ihm mit Urteil vom 04.07.2019 festgestellten Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze bei Alt-Verträgen zwischen Privaten mündlich verhandelt hat (C-261/20), liegt seit dem 15.07.2021 der Schlussantrag des Generalanwalts Maciej Szpunar zum Vorabentscheidungsersuchen des BGH (C-377/17) vor. Der BGH ist der Auffassung, dass trotz des EuGH-Urteils vom 04.07.2019 bei Altverträgen die Mindestsätze der HOAI 2013 bis zum Inkrafttreten der HOAI 2021 weiterhin zu beachten sind (vgl. BGH-Beschluss vom 14.05.2020 – VII ZR 174/19).

Dieser Ansicht des BGH folgt der Generalanwalt nicht. Der Generalanwalt weist zunächst darauf hin, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen (sog. konforme Auslegung). Ist dies – wie nach Ansicht des BGH – vorliegend nicht möglich, müsse ein nationales Gericht auch bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten eine der EU-Richtlinie entgegenstehende nationale Bestimmung ausnahmsweise auch dann unangewendet lassen, wenn dies zur Wahrung eines allgemeinen Grundsatzes des Unionsrechts oder eines in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union konkretisierten Grundsatzes erforderlich ist.

Dies ist hier – so der Generalanwalt – der Fall. Nach Ansicht des Generalanwaltes soll die EU-Dienstleistungsrichtlinie den allgemeinen Grundsatz der Niederlassungsfreiheit konkretisieren, sodass die EU-Dienstleistungsrichtlinie auch bei Rechtsstreitigen zwischen Privaten unmittelbar zu beachten ist. Zwar ist die Niederlassungsfreiheit bei rein innerstaatlichen Sachverhalten nicht anzuwenden ist. Nach Meinung des Generalanwalte ist mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie die Niederlassungsfreiheit aber auf rein innerstaatliche Angelegenheiten ausgedehnt worden. Darüber hinaus meint der Generalanwalt, dass die HOAI 2013 mit ihren Mindestsätzen gegen die in Art. 16 der EU-Grundrechtecharta garantierte Vertragsfreiheit verstößt und sich auch Privatpersonen im Verhältnis zu anderen Privatpersonen hierauf berufen können.

Zu einer möglichen zeitlichen Begrenzung der Wirkung der EuGH-Entscheidung zur EU-widrigkeit der HOAI-Mindestsätze, z.B. ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung, hat sich der Generalanwalt nicht geäußert.

Der Schlussantrag des Generalanwaltes ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwaltes ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Der EuGH tritt nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird noch für dieses Jahr erwartet.

Den Schlussantrag vom 15.07.2021 finden Sie hier.